Bei meiner Vorbereitung zum diesjährigen Kamingespräch des edna Bundesverbandes (https://edna-bundesverband.de/event/edna-kamingespraech-schoene-neue-welt-oder-die-energiewende-verstehen-2/) stellte ich fest, dass der Begriff „Energiewende“ eigentlich deutlich mehr umfassen kann als nur die heute in Deutschland übliche Bezeichnung der in Wikipedia so definierten „Transformation von der fossil-nuklearen Energieerzeugung zu einer auf erneuerbaren Energien beruhenden Energieversorgung“.

In der englischen Ausgabe von Wikipedia beispielsweise gilt „eine Energiewende oder Energiesystemtransformation (als) eine umfassende strukturelle Änderung der Energieversorgung und des Energieverbrauchs in einem Energiesystem.“ 

Dieses Verständnis passt zu meinen Beispielen verschiedener Energiewenden, die ich Ihnen auf diesem Wege gerne vor- und zur Diskussion stellen möchte.

Die erste Energiewende oder Energiesystemtransformation in Deutschland begann 1825, als mit Bau und Inbetriebnahme des Gaswerks an der Glocksee in Hannover[1] das Zeitalter der leitungsgebundenen Energieversorgung begann. Das dabei erzeugte und später so genannte „Stadtgas“ wurde überwiegend aus der Verbrennung von Steinkohle gewonnen.

Gut 50 Jahre später, in den 1880er Jahren, begann die Elektrifizierung. Erste elektrische Straßenlaternen wurden 1882 in Berlin[2] in Betrieb genommen. Auch dafür wurde hauptsächlich Kohle als Primärenergiequelle genutzt.

Weniger ein weiterer Schritt in der Energiesystemtransformation als eine Ergänzung bestehender (dezentraler) Betriebsmodelle waren die ab dem Ende des 19. Jahrhunderts erstmals genutzten Überlandstromleitungen. Sie ermöglichten die Trennung von Erzeugungs- und Verbrauchsstandorten. 

Gasfernleitungen in Deutschland wurden dagegen erst in den 1920er Jahren gebaut. Bis dahin war die Gaswirtschaft in Deutschland noch stark dezentralisiert. So zählte man im Jahre 1908 insgesamt 1.637 Gaswerke[3]. Von denen wurde (nur noch) ein Drittel privat betrieben. 

Die nächste Stufe einer Transformation des Energiesystems begann in den 1960er Jahren mit der Umstellung von Stadt- auf Erdgasversorgung. Dieser Prozess wurde in den 1970er Jahren intensiviert, aber erst mit der Umstellung in Ostdeutschland nach der Wende abgeschlossen.

In Ostdeutschland gab es mit der politischen Wende noch eine ganz andere Transformation des Energiesystems. Damals wurden nämlich die regional organisierten Energiekombinate der DDR durch die Treuhandanstalt privatisiert, in Aktiengesellschaften umgewandelt und unter neuen Firmennamen an westdeutsche Energiekonzerne verkauft. Die wehrten sich denn auch kräftig, als verschiedene ostdeutsche Kommunen eigene Stadtwerke gründen wollten. Schließlich bedurfte es eines Vergleichs vor dem Bundesverfassungsgericht, wonach „diejenigen Städte, die eigene Stadtwerke gründen wollten, die Netze in ihrem Gemeindegebiet erhalten und im Gegenzug auf die Kapitalbeteiligung an den Regionalversorgungsunternehmen verzichten sollten.“ So wurden „die Strom- und Gasnetze zwischen den neu gegründeten Stadtwerken und den Regionalversorgern entflochten und die Stadtwerke aufgebaut.“[4]

Die Dezentralisierung der Energieerzeugung selbst erlebte spätestens seit dem vermehrten Bau und Betrieb erster größerer Windkraftanlagen in den 1980er eine Renaissance. Sie prägt seitdem die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien in allen Bundesländern und ist dabei auch Ursache für ein „Re-Design“ der Netzstrukturen.

Das aber und vieles mehr wird Thema des hier einleitend erwähnten diesjährigen Kamingespräch des edna Bundesverbandes am 7. November 2024 bei der msu solutions GmbH in Halle/Saale sein.  


[1] Siehe http://www.lebensraum-linden.de/portal/seiten/in-linden-entsteht-die-erste-gasanstalt-deutschlands-900000036-5201.html

[2] Siehe https://www.dhm.de/blog/2016/08/25/die-elektrifizierung-deutschlands/

[3] Rainer Karlsch, Vom Licht zur Wärme, Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 2008

[4] Siehe https://unternehmerin-kommune.de/hintergrundinformationen/der-historische-stromvergleich-1992/