Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Juni den Gesetzgeber verpflichtet, die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Die neue Bundesregierung legt mit viel Engagement sogar noch eine Schippe drauf.
Dieser Beitrag ist auch als „Standpunkt in der Fachzeitschrift BWK Ausgabe 1-2/2022 erschienen
In den kommenden Jahren gilt es deshalb, die Transformation der Energiewirtschaft zu stemmen – weg von den fossilen Energieträgern, hin zur Klimaneutralität. Es braucht dafür einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und damit auch der (intelligenten) Netzinfrastruktur auf allen Netzebenen. Aus Sicht der kleinen und mittleren Energieversorgungsunternehmen sind diese Herausforderungen zwar komplex, aber durchaus lösbar, wenn die Rahmenbedingungen stimmen: erstens klare Ziele und Planungssicherheit, zweitens eine weitreichende Digitalisierung energiewirtschaftlicher Prozesse bzw. Anwendungen und drittens vor allem eine schnelle Entbürokratisierung bzw. eine einfachere Marktordnung.
Was muss technologisch passieren, um aus den Zielen Wirklichkeit zu generieren? Parallel zum Energiefortleitungsnetz muss ein Kommunikations- und Steuerungsnetz aufgebaut und betrieben werden, mit dem Daten, zwischen Energieerzeuger, Energiespeicher und Energieverbraucher in Echtzeit ausgetauscht werden können. Digitalisierung hilft dabei, den Netzbetrieb und die Netznutzung im Blindflug zu beenden. Die daraus resultierenden Informationen ermöglichen eine effizientere Steuerung der Netzauslastung, die sich dank der entsprechenden Messsysteme an tatsächlichen Verbrauchswerten orientiert und die Möglichkeit bietet, Flexibilitätspotenziale zur Netzsteuerung zu heben. Gleichzeitig lassen sich Erneuerbare Energieanlagen mit weniger Netzausbau ins System integrieren, bei gleichbleibender Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität. Letztlich erhalten Haushalte, Gewerbe und Industrie eine bessere Einsicht in ihren tatsächlichen Stromverbrauch und können somit effizienter mit Energie haushalten.
Allein digitale Technologie können laut einer Studie von accenture* im Falle einer beschleunigten Digitalisierung mehr als die Hälfte zur Erreichung des bisherigen Klimaziels beitragen.
Der Umbau zur Klimaneutralität braucht neue Geschäftsmodelle, die auf digitalen Lösungen basieren, muss Bürger*innen einladen, dabei zu sein aber fordert vor allem auch die Verteilnetzbetreiber und hier insbesondere die kleinen und mittleren EVU – enorme Investitionen müssen durch sie in die Energie- und Kommunikations-Netz-Infrastruktur getätigt werden.
Der Wille ist da, doch leider ist nicht alles, was technisch machbar ist, in der erforderlichen Geschwindigkeit umsetzbar oder wirtschaftlich darstellbar. Zu groß sind die bürokratischen Hemmnisse und regulatorischen Fesseln.
Stichworte hierzu sind viel zu lange Genehmigungszeiten, beispielsweise für den Bau von Umspannanlagen, innovationsfeindliche Rahmenbedingungen für neue Technologien im Netz, Perfektionismus statt Pragmatismus beispielsweise beim leidigen Trauerspiel um intelligente Messysteme bzw. die Gateway-Standardisierung.
Die neue Regierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, beim Klimaschutz, der Digitalisierung und Entbürokratisierung den Wandel einzuläuten – jetzt gilt es zu liefern. Gelingt diese Herkulesaufgabe nicht, so wird die Transformation der Energieversorgung zwar der Wunschtraum der Politik bleiben aber zum Alptraum der kleinen und mittleren Energieversorgungsunternehmen werden.