In der ursprünglichen Version des Osterpakets der Bundesregierung schien der Tod der kleinen Wasserkraft beschlossene Sache zu sein. Erst in allerletzter Minute wurden die entsprechenden Passagen korrigiert. Der nachfolgende Artikel, erschienen in der stadt+werk Ausgabe 7-8/2022, war Teil einer Informationskampagne, in der sich neben den Verbänden des Wasserkraft auch edna und die Initiative evu+ engagiert haben.

Der Tod der kleinen Wasserkraft

Autorin: Andrea von Haniel, Geschäftsführerin der E-Werke Haniel-Heimhausen und Mitglied der Initiative evu+ im edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation.

Anfang Juli stimmt der Deutsche Bundestag über das neue EEG ab. Wird der Entwurf der Bundesregierung, wie er im Osterpaket vorgestellt wurde übernommen, bedeutet dies das Aus für die kleine Wasserkraft in Deutschland. Und dies in Zeiten, in denen jede regenerative Energiequelle zählt – nicht nur für den Klimaschutz.

In Entwurf der Bundesregierung zur Novelle des EEGs ist nicht nur die die Streichung der Vergütung für den Neubau und die Ertüchtigung von Wasserkraftanlagen bis 500 kW vorgesehen. Daneben wird auch dem Naturschutz im Bereich Wasserkraft absolute Priorität eingeräumt. Fragen des Klimaschutzes, der Versorgungssicherheit oder der Energieeffizienz werden weitestgehend ausgeblendet. Ganz anders als bei der Windkraft, deren Ausbau künftig deutlich erleichtert werden soll. Damit wird die Wasserkraft als verlässliche und saubere Energiequelle, die vor allem auch bei Dunkelflauten oder im Winter zuverlässig liefert, quasi abgeschaltet.

Schon jetzt müssen Ertüchtigungsmaßnahmen im Bestand hohe Naturschutzhürden überwinden. So sind wir beispielsweise bei der Modernisierung unseres Wasserkraftwerkes am Hirschberg schon seit mehr als fünf Jahren nicht vorangekommen. Denn dazu wäre eine Anschlussgenehmigung für die kommenden 20 Jahre notwendig, die uns das Wasserwirtschaftsamt aus Gründen des Naturschutzes verweigert. Dabei hatten wir in Zusammenarbeit mit genau diesem Amt einen Nebenfluss der kleinen Amper ausgebaut, so dass die Fische um das Wasserkraftwerk herumschwimmen können. Nun heißt es, dass dies nicht ausreicht, weil diese Umgehung für den Huchen, auch Donaulachs genannt, zu flach sei. Dieser Fisch kommt allerdings in der Amper gar nicht vor. Aber weil es unter Umständen möglich ist, dass der Huchen irgendwann eventuell wieder die Amper hochwandert, stellt sich das Amt auch weiter gegen die Modernisierung. Da nutzen auch Gutachten von Fischbiologen nichts, die unserer Anlage für die in der Amper lebenden Fische völlig ausreichend ist.

Im Entwurf zum neuen EEG wird nun dem Naturschutz in Sachen Wasserkraft eine besondere Bedeutung eingeräumt – als einziger regenerativer Energiequelle. Und das obwohl mit dem Wasserschutzgesetz schon seit Jahren ein Regularium besteht, dass die Interessen des Naturschutzes beim Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken wahrt.

Was bedeutet dies konkret? Im Kleinen werden wir auf absehbare Zeit unsere Wasserkraftwerke abschalten und möglichweise auch zurückbauen müssen. 40 Prozent unserer eigenen Energieerzeugung fallen damit weg und damit wahrscheinlich auch unsere wirtschaftliche Existenz. Im Großen droht der Tod der kleinen Wasserkraft. Denn von den Änderungen im EEG sind 6.300 Wasserkraftwerke betroffen, das sind fast 90 Prozent aller Anlagen. Der Neubau von Anlagen, der in Deutschland wegen unzähliger gewässerökologischer Forderungen sowieso ein äußerst langwieriges bürokratisches und vor allem teures Unterfangen ist, wird bei Umsetzung der aktuellen Novelle komplett zum Erliegen gebracht. Auch der Betrieb wird unrentabel. Der Wegfall der Vergütung nach dem EEG heißt für viele kleine Anlagen das Aus, denn die Direktvermarkter nehmen sie oft nicht in ihren Bestand auf, da der Verwaltungseinsatz zu groß ist. Zudem gibt es bei fallenden Spotmarktpreisen das „Auffangnetz“ der EEG-Vergütung von etwa 12 Ct/kWh nicht mehr.

Wasserkraftwerke bis zu einer installierten Leistung von 500 kW produzieren ca. 3 TWh Strom im Jahr und versorgen rund 1 Million Haushalte mit Strom. Der Anteil am Gesamtverbrauch in Deutschland liegt derzeit bei 0,5 %. Das klingt zunächst nach nicht viel. Doch die Kleinwasserkraft bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich: sie liefert grundlastfähig, verlässlich und vor allem rund um die Uhr Strom aus der Region. Wegen ihrer Nähe zu den Stromverbrauchern vermeidet die Kleinwasserkraft bundesweit Netzausbaukosten von 750 Millionen Euro und weitere Netzdienstleistungen im Wert von 250 Millionen Euro, da sie in der Regel in die Nieder- und Mittelspannungsnetze einspeisen, und dort die spezifischen Netzausbau- und Leitungsverlustkosten am höchsten sind. In Summe würde ein Verzicht auf kleine Wasserkraftanlagen Mehrkosten von etwa einer Milliarde Euro erzeugen. Zudem sind Wasserkraftwerke oft das Rückgrat zahlreicher Handwerksbetriebe, wie Mühlen oder Sägewerke, und halten wertvolle landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten aufrecht. Allein in Bayern gibt es 100.000 Flusskilometer und 57.000 Querbauwerke in Flüssen. Allerdings wird nur an 4.248 Querbauwerken auch Energie aus Wasserkraft erzeugt und damit eine klimafreundliche Kompensation für den ohnehin vorhandenen Gewässereingriff geschaffen. Heute gibt es in Bayern 4.248 Wasserkraftanlagen. Im Jahr 1926 waren es noch 11.900 Anlagen. Damals waren die Gewässer und die Fischwelt noch weitgehend in Ordnung. Mit der zunehmenden Industrialisierung und dem Bau fossiler und nuklearer Großkraftwerke in 60ern und 70ern hat sich die Anzahl der Wasserkraftwerke in den vergangenen hundert Jahren um zwei Drittel verringert. Die Folgerung, dass die Wasserkraftnutzung trotz der Verringerung der Anzahl ihrer Werke für die Verschlechterung der Gewässerverhältnisse verantwortlich sein soll, ist unstimmig und nicht nachvollziehbar. Zudem produzieren die Anlagen nicht nur 20 oder 30 Jahre Strom, wie Windkraftwerke oder Photovoltaik-Anlagen. Ihre Lebensdauer kann mehr als 100 Jahre betragen, wenn sie regelmäßig gewartet und modernisiert werden. 

Es spricht also alles dafür, der Wasserkraft im EEG einen vergleichbaren Status wie der Windkraft und anderen regenerativen Energien einzuräumen. Biodiversität gegen Klimaschutz und Versorgungssicherheit auszuspielen ist gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen weltpolitischen Entwicklungen unsinnig. Aber auch, weil Naturschutz und Wasserkraft sich nicht ausschließen. Technologien zum Fischschutz und zur Gewährleistung der Durchgängigkeit, wie Feinrechen oder Fischwanderungsanlagen sind vorhanden und bewähren sich seit vielen Jahren in der Praxis. Die Wasserkraft kann damit – übrigens als einziger Gewässernutzer – die Einhaltung der strengen Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie und des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes sicherstellen. Und auch sonst in Sachen Naturschutz hat die Wasserkraft eine wichtige Funktion: Wasserkraftwerke entfernen pro Jahr zwischen 80 und 290 Tonnen Makroplastik allein aus dem bayerischen Donauraum. Zudem sind Wasserkraftwerke seit jeher vielfach Bürgerkraftwerke: Sie werden nicht nur von privaten Gewerbetreibenden, sondern auch von Stadtwerken und Gemeindewerken betrieben und liegen daher häufig in kommunaler bzw. öffentlicher Hand.

Kurzportrait:

Andrea von Haniel ist Geschäftsführerin der E-Werke Haniel-Heimhausen und Mitglied der Initiative evu+ im edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation. Das Unternehmen besteht seit 1893 ist damit einer der ältesten Stromversorger in Bayern. Insgesamt beliefern die E-Werke 3.000 Kunden mit Strom.