Kaum eine technologische Entwicklung hat, gerade in der Energiewirtschaft, während der letzten Jahre so viel Aufmerksamkeit erhalten wie die „Blockchain“. Im Rahmen des Arbeitskreises „Zukunftsenergien“ am 30. Januar 2019 wurde der aktuelle Entwicklungstand vorgestellt und darüber diskutiert, welche Chancen diese Technologie für die dezentrale Energiewende beinhaltet. Die dafür erforderlichen Rahmenbedingungen, die seitens der Politik gesetzt werden müssen, wurden ebenfalls benannt.

Leistungsfähige Infrastruktur

Die Digitalisierung sei ein unverzichtbarer Baustein für die Transformation des Energiesystems, betonte Philipp Richard, Teamleiter Energiesysteme und Digitalisierung bei der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena). Hierdurch entwickle sich die klassische Wertschöpfungskette hin zu einem Wertschöpfungsnetzwerk mit einem Informationsaustausch von Millionen von verschiedenen Assets. Die für ein Web 3.0 benötigte leistungsfähige Infrastruktur biete die Distributed-Ledger-Technology (DLT). Diese ermögliche es, zwischen vernetzten Rechnern über eine Reihenfolge von Transaktionen einen Konsens zu bilden, diesen Zustand zu speichern, zu aktualisieren und so eine Transaktionsdatenbank ohne zentrale Plattform zu verwalten. Die Blockchain stelle hierbei eine spezifische DLT dar, welche eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkette. Insgesamt erhöhe sich zwar die Systemkomplexität durch die Digitalisierung, jedoch würden die Chancen deutlich überwiegen, so Richard.

Intermediäre werden überflüssig

Durch Peer-to-Peer-Transaktionen (P2P), die durch den Einsatz der Blockchain-Technologie möglich werden, würden Intermediäre wie Banken, Börsen und Energieversorger überflüssig, erläuterte Dipl. Ing. Richard Plum, Produktmanager Consulting bei der ProCom GmbH und Vorsitzender der Blockchain-Initiative Energie im EDNA-Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e.V. Ob dies auch regulatorisch abgedeckt sei, sei allerdings nicht sicher. Im direkten Vergleich zu klassischen Netzwerken biete die Blockchain einige Vorteile, z.B. bezüglich der Sicherheit. Smart Contracts ermöglichten zudem eine Kostenreduktion durch einen hohen Grad an Automatisierung. Ein Pilotprojekt von TenneT und dem Stromspeicherhersteller Sonnen zeige schon jetzt, wie dezentrale Heimspeicher mittels Blockchain zur Netzstabilisierung vernetzt werden könnten. Darüber hinaus gebe es noch zahlreiche weitere Anwendungsfelder für die Blockchain-Technologie, so Plum.

Lösung für dezentrale Energiewende

Rüdiger Winkler, Koordinator der Blockchain-Initiative Energie und Geschäftsführer des EDNA-Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation, unterstrich, dass die Blockchain eine Lösung für eine dezentrale Energiewende der Zukunft darstelle. So könnten im derzeitigen System Blockchain-Anwendungen bereits einen Lösungsweg für die Vermarktung solcher Anlagen aufzeigen, die aus der EEG-Förderung fallen. Der Blockchain-Prototyp „MaKoChain“, der demnächst offiziell vorgestellt wird, werde einen effizienteren Lieferantenwechsel ermöglichen. Im derzeitigen System müssten die Marktteilnehmer aufgrund von jährlichen Änderungen der Prozesse des Lieferantenwechsels durch die Bundesnetzagentur umfassende Anpassungen an den IT-Systemen vornehmen. Eine dezentrale Datenspeicherung führe zudem aufgrund divergierender Stammdaten teilweise zu instabilen Prozessen, woraus häufig hohe Prozessdurchlaufzeiten resultierten. Der Einsatz der „MaKoChain“ bietet entsprechend den Ausführungen von Winkler die Möglichkeit, diese Prozessdurchlaufzeit zu verkürzen, die Prozessstabilität zu verbessern und die Komplexität sowie den Ressourceneinsatz zu reduzieren. Aufgrund des geltenden regulatorischen Rahmens sei ein flächendeckender Einsatz der Blockchain aktuell jedoch noch nicht sinnvoll. Zudem stecke die Technologie derzeit in den „Kinderschuhen“, wobei angesichts einer hohen Entwicklungsgeschwindigkeit eine „Massentauglichkeit“ allerdings in wenigen Jahren erwartet werden könne.

Regulatorischer Rahmen fehlt noch

Bei der Blockchain müsse unterschieden werden zwischen dem technisch Möglichen und den regulatorischen Rahmenbedingungen. Zurzeit fehle ein geeigneter regulatorischer Rahmen, innerhalb dessen die Blockchain-Technologie kostendeckend bzw. ertragreich betrieben werden könne, betonte Dr. Torsten Kraul, Associated Partner und Rechtsanwalt bei Noerr LLP. Die Politik stehe in der Pflicht, diesen regulatorischen Rahmen zu entwickeln, der die Bilanzkreiszuordnung und Anforderungen an Energielieferverträge, an die Datenverarbeitung und an die Informationspflichten definiere. Auch seien Antworten bzgl. der Finanzregulierung beim Einsatz virtueller Währungen zu geben, erläuterte Dr. Kraul.

Blockchain-Strategie kommt im Sommer

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Timon Gremmels, MdB (SPD), Prof. Dr. Martin Neumann, MdB (FDP) und Dr. Ingrid Nestle, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), unter Moderation von Dr. Frank-Michael Baumann, Geschäftsführer der EnergieAgentur.NRW sowie Vorsitzender des Arbeitskreises „Zukunftsenergien“, über das Potential der Blockchain und die erforderlichen Rahmenbedingungen. Gremmels betonte, die Blockchain könne seiner Meinung nach einen Beitrag zur Lösung der Aufgaben der dezentralen Energiewende leisten, nicht aber als „alleinige“ Lösung. Um das erforderliche Regelwerk zu erarbeiten, müsse der Gesetzgeber mit der Branche zusammenarbeiten. Eine entsprechende „Blockchain-Strategie“ soll von der Bundesregierung bis zur Sommerpause vorgestellt werden. Mit einer solchen Strategie schaffe man ein „Werkzeug“ für die dezentrale Energiewende, bleibe jedoch offen für andere Technologien, betonte Gremmels. Insgesamt sehe er in der Digitalisierung ein hohes Kostensenkungspotential durch Effizienzgewinne.

MdBs diskutiere Blockchain und dezentrale Energiewende

Prof. Dr. Neumann unterstrich ebenfalls das Potential der Blockchain, gerade auch mit Blick auf den steigenden Koordinationsbedarf innerhalb einer dezentralen Energiewelt. Eine Strategie zur Blockchain sei ein erster richtiger Schritt, ein „Blockchain-Gesetz“, um der Branche Planungssicherheit und Vertrauen zu geben, müsse folgen. Dabei müsse die Branche der Politik vermitteln, welche Rahmenbedingung sie benötige, um neue Anwendungsfelder zu erschließen. Insgesamt sei es wichtig, Platz für Ideen zu schaffen, um die Potentiale der Digitalisierung zu heben. Zudem forderte er mehr Aufklärung über die Vorteile der Digitalisierung. Dabei komme auch der Wissenschaft eine wichtige Rolle zu, so Prof. Dr. Neumann.

Dr. Nestle zeigte sich mit Blick auf den „Hype“ um die Blockchain-Technologie etwas skeptischer. Zwar befürworte sie die Entwicklung digitaler Lösungen, sehe aber derzeit keine besonders „revolutionären“ Anwendungsfelder speziell für die Blockchain-Technologie. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, dass die Bundesregierung einen Rahmen schaffe, der es erlaube, dass u.a. auch die Blockchain sinnvoll angewendet werden könne – dies habe die Bundesregierung bislang „verschlafen“. Beim Thema „Datenschutz bei digitalen Energieanwendungen“ lobte Dr. Nestle die Bundesregierung – dieser sei in Deutschland erfreulicherweise sehr hoch.

Die Präsentationen stehen in Kürze für die Mitglieder des Forum für Zukunftsenergien e.V. auf der Website (Presse/Publikationen) zum Download bereit. Sollten Sie persönlich oder Ihr Unternehmen / Ihre Institution Mitglied im Forum für Zukunftsenergien sein und noch keine Zugangsdaten haben, senden Sie bitte eine E-Mail an: info@zukunftsenergien.de.

Wir danken dem EDNA-Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e.V. und der ProCom GmbH für die Unterstützung sowie Noerr LLP für die Gastfreundschaft.

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