Die Ampel-Koalition der aktuellen Bundesregierung hat sich eine Reihe konkreter Ziele gesetzt, um die Energiewende voranzutreiben und die deutschen Klimaschutzverpflichtungen einzuhalten. 

Viele davon beziehen sich auf das Jahr 2030, in manchen Bereichen sind sie auch längerfristig bis zum Jahr 2045 formuliert (Quelle: DIW)

Einige der quantitativen Ziele wurden bereits im Koalitionsvertrag genannt. Seitdem folgten im Rahmen verschiedener Ministeriumspublikationen und Gesetzesentwürfe neue Vorgaben, teils wurden die im Koalitionsvertrag genannten Ziele dabei auch konkretisiert oder verschärft.

Nachfolgende Ausführungen beschreiben in groben Zügen, was beispielsweise in Software und Infrastruktur zu tun ist, um die Ausbauziele und das Betriebsmodell eines Smart Grid mit Fokus auf die Notwendigkeit von Schalthandlungen zu erreichen. Denn mehr denn je gilt die These, inzwischen tatsächlich schon die gesicherte Erkenntnis: Unsere Versorgungsinfrastruktur muss zukünftig – und deutlich mehr als bisher – eine Vielzahl von Komponenten / Objekten / Lasten steuern können, um stets zuverlässig die Netz- oder Marktdienlichkeit herzustellen.

Verantwortlicher Akteur für die Schalthandlungen wird (nach bisherigem Stand der Festlegungen) der Messstellenbetreiber (MSB). Allerdings stellt VDE/FNN aktuell aktuell die Frage, „wo und durch wen das System gesteuert werden soll.“ (siehe „Impulspapier zur Nutzung von Flexibilitäten“). Der MSB organisiert die Schalthandlungen der verschiedenen aktiven Marktteilnehmer (aEMT). Diese bestellen ihren Bedarf an Schalthandlungen ad hoc oder im Vorhinein mittels „Universalbestellprozess“.

Eine wesentliche Aufgabe bei der Organisation der Schalthandlungen wird darin bestehen, Schaltkonflikte zu vermeiden und die angemeldeten Schalthandlungen mittels einer Koordinierungsfunktion (KoF) zu priorisieren.

Grundsätzlich vorausgesetzt wird dabei natürlich, dass die schon lange erwartete Schalt-Infrastruktur endlich auch vorhanden ist. Denn schon bei Inkrafttreten des MsbG im Herbst 2016 sollten die sogenannten §14a-Anlagen über die sichere Infrastruktur eines Smart-Meter-Gateways (SMGW) statt wie bisher mittels Rundsteuertechnik angesprochen und geschaltet werden.

Doch auch im Sommer 2022 ist Schalten und Steuern über das SMGW vielfach noch und nur ein Thema für Pilot- und Förderprojekte. 

An allen Messlokationen (MeLo), die mit dem (Anfang 2021 zurückgezogenen) Referentenentwurf des Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) seinerzeit gemeint waren, werden SMGW und Steuerboxen gebraucht. So muss ein Betreiber laut EEG 2021 steuerbarer Verbrauchseinrichtungen (wie Wallbox zum Laden eines E-Autos) in Kombination mit einer Einspeiseeinrichtung (bei Wunsch des Netzbetreibers) eine iMSys-Anbindung verpflichtend zulassen. Aber kaum ein Netzbetreiber fordert das bisher!

Die zuständigen MSB müssen deshalb nicht nur die Infrastruktur aufbauen, sondern auch softwareseitig nachrüsten. Die Anwendung der Universalbestellprozesse wird wohl ab dem 1.10.2023 verpflichtend. Zeitgleich muss dann zur Gateway-Administration eine Lösung für das CLS-Management – in Kombination mit Funktionalität für die Ausübung der KoF verfügbar sein. 

Ähnliches gilt für die schalthandlungsauslösenden Marktteilnehmer (aEMT). Voraussetzung ist deren Fähigkeit und Funktionalität zur Überwachung der jeweiligen Lasten. Dazu reicht es einem Verteilnetzbetreiber (VNB) zukünftig beispielsweise nicht mehr, nur die Last an der jeweiligen Ortsnetzstation (ONS)* in (nahezu) Echtzeit zu überwachen – was heute noch lange nicht überall möglich ist. Vielmehr muss der VNB auch in der Lage sein, wenigstens ausgewählte Lasten jenseits der ONS auch einzeln überwachen – und steuern – zu können.

Und in zeitkritischen Koordinierungssituationen muss zudem eine mengentaugliche, hochverfügbare und verzugsfreie Kommunikationsverbindung zwischen dem jeweiligen aEMT, der zu schaltenden Komponente und dem MSB existieren.

Auch die Kunden / Endverbraucher müssen „aufrüsten“. Zugelassen werden muss der Einbau von SMGW und Steuerboxen, was übrigens häufig mit einer Erneuerung der Zählerschränke einhergeht.

Zu dieser – vermutlich unvollständigen – Liste der notwendigen Investitionen in ein Smart Grid gehören auch Mengengerüste, wenn man den Investitionsbedarf und Aufwand abschätzen möchte, der auf uns alle zukommt.

In einer Veröffentlichung des BMWi vom Oktober 2021 rechnen die Fachleute der „AG Gateway-Standardisierung“ per 2030 bei circa 16 Mio. schaltbaren Objekten mit jährlich circa 12 Millionen „§14a-Fällen“. Aktualisiert man diese Kennzahlen mit den vom DIW aktuell ermittelten Zielmengen zur Erreichung der Koalitionsziele, kommt der Autor des vorliegenden Textes auf circa 24 Millionen schaltbare Objekte mit jährlich circa 19 Millionen „§14a-Fälle“.

Dieser Betrachtung schließt sich zum Schluss noch die Engpass-Diskussion an. Da mag es genügend Juristen geben, die das notwendige Regelwerk ausarbeiten und in Kraft treten lassen. Der Versorgungswirtschaft selbst wie auch ihren Dienstleistern in Industrie und Handwerk aber fehlt es inzwischen und bekannter Maßen an qualifizierten Fachleuten, um die oben beschriebenen Aufgaben fristgerecht zu lösen.

Hinzu kommen Engpässe in den Lieferketten des produzierenden Gewerbes. Ob Zähler, Gateways, Steuer- und Wallboxen, ob Wärmepumpen oder PV-Module und Wechselrichter, überall sind Bauteile knapp und werden die Produkte von Monat zu Monat teurer.

Wen überrascht es? Der Weg in die Energiewende ist also lang und beschwerlich. Abkürzungen gibt es nicht. Und doch ist er alternativlos!


* In Deutschland gab es per 2015 600.000 ONS (Quelle: Thorben Doum, Masterarbeit: Notwendigkeit und Rahmenbedingungen eines Lastmanagements für Elektromobilität in Niederspannungsnetzen; Köln 2015)

** In beiden Hochrechnungen gilt, so der Hinweis des BMWi in der bereits zitierten Quelle, dass es sich um eine Aggregation der einzelnen Verbrauchsanlagen handelt. „Die reale Anzahl wird niedriger liegen, da ein Kunde mehrere steuerbare Verbrauchsanlagen besitzen wird.“