Mit TSOs (Übertragungsnetzbetreibern) und DSOs (Verteilnetzbetreibern) kennen wir uns heute ja schon sehr gut aus. Doch wer weiß schon, dass es beispielsweise auch CPOs (Charge Point Operator) und EMPs (E-Mobility Provider) gibt. Oder dass – je nach Sprachgebrauch – stattdessen auch von CSPs (Charging Service Providers) und CSOs (Charging Station Operators) die Rede ist. Aber so ist es, wenn sich Energiemarktexperten an die Grenzen ihres bisherigen Kompetenzbereichs begeben und auf einmal – im Geschäft mit dem elektromobilen Letztverbraucher und seinen Dienstleistern – Prozesse kennenlernen, die weder durch das EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) noch durch die BNetzA (Bundesnetzagentur) reguliert werden. Und weil die Energiewirtschaft neben dritten Dienstleistern einen wesentlichen Anteil am wachsenden Markt der Elektromobilität anstrebt, kann es nicht schaden, beide Prozesswelten genauer zu betrachten und auf Synergiepotentiale hin zu untersuchen.

Neue Prozesse für Elektromobilität

Das heute gültige Markt- und Prozessmodell der Stromwirtschaft wurde auf den Fundamenten der DuM-Richtlinie aufgebaut. Es wird vor allem durch das Regelwerk von GPKE und MaBiS mittels einer EDIFACT-Marktkommunikation unter anderem in den Formaten UTILMD, MSCONS, INVOIC und REMADV getragen. Maßgeblich gelenkt durch Gesetz und Regulierung sind es dabei die Marktteilnehmer selbst, die diese Regeln entwickeln und letztendlich auch zur Anwendung bringen. Koordiniert und überwacht wird dies durch die Bundesnetzagentur.

Auch im Markt der Elektromobilität wurde in den vergangenen Jahren ein komplexes, zudem international angelegtes Regelwerk in Gang gesetzt. Beispielsweise einigte man sich auf das Combined Charging System (CCS) als einheitliches Ladesystem in Europa und den USA. Mit dem können die Nutzer ihre Fahrzeuge mit Energie versorgen. Einmal verbunden, tauschen Fahrzeug und Ladesäule mithilfe der im CCS standardisierten Kommunikation eigenständig Informationen aus, beispielsweise über den Ladestand.

Darüberhinaus schaffte die Vernetzung von Fahrzeugherstellern, Ladeinfrastruktur- und Energieanbietern sowie deren Endkunden auf sogenannten Roaming-Plattformen die Grundlage für anbieterübergreifende Authentifizierungs- und Abrechnungsverfahren auch ohne Gesetz und Regulierung. So hat die Interoperabilität der Marktteilnehmer mittlerweile ihre Wirkung durch die normative Kraft des Faktischen entfaltet. Denn die Prozesse zwischen den verschiedenen Beteiligten lassen sich damit so standardisieren, dass batteriegespeiste E-Fahrzeuge und die dafür notwendige Ladetechnik mittlerweile, und wenn auch noch als kleine, aber wachsende Minderheit, zum deutschen Straßenbild gehören.

Elektromobilität und DIN

Das Stichwort „Roaming“ macht allerdings deutlich, dass die Modelle und Erfahrungen aus der Telekommunikation zunächst wichtiger waren als das Energiewirtschaftsrecht bzw. dessen Umsetzung in alltägliche Prozesspraxis. So definiert die DIN IEC 63119-1 (Entwurf vom April 2018) beispielsweise den „Informationsaustausch für Roaming-Ladedienste für Elektrofahrzeuge“. Darin festgelegt werden „die Begriffe, die allgemeine Beschreibung des Systemmodells, die Klassifikation, der Informationsaustausch und die Sicherheitsmechanismen zwischen Ladedienstanbietern (en: charging service providers; CSP) für Elektrofahrzeuge (EVs). Der Normungsentwurf bietet einen Überblick und beschreibt die allgemeinen Anforderungen an das Roamingdienst-System für EVs.“ Insgesamt gilt die „Normenreihe IEC 63119 … für die Kommunikation auf hoher Ebene, die am Informationsaustausch / an Interaktionen zwischen verschiedenen CSPs sowie zwischen einem CSP und einer Verrechnungsstellen-Plattform beteiligt ist.“

Diese Adaption einer Grafik aus der DIN IEC 63119-1 macht deutlich, worum es geht:
Die Ladestation als Letztverbraucher wird in einer Prozesskette vom Stromproduzenten (IPP) über den Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) im Verteilnetz angeschlossen und versorgt. Der Betreiber der Ladesäule (CSO, häufig in Personalunion mit CSP) ist vertraglich mit einem Roaming-Dienstleister (CSP) verbunden, dessen Kunde (EV) sich beispielsweise mit einer RFID-Karte an der Ladestation identifiziert, um den Ladevorgang zu starten.
Der Datenaustausch zwischen CSO (auch CPO genannt) und CSP (auch EMP genannt) erfolgt durch einen Clearing-Dienstleister (Clearing House). Der sammelt und übergibt die bei jedem Ladevorgang entstehenden Charge Detail Records (CDR) den jeweiligen Prozessteilnehmern. Auf Basis der CDR berechnet ein CSP seinem Kunden die entnommenen Mengen (an Strom oder Zeit). Dafür gelten die üblichen Verfahren und das bekannte Regelwerk (u.a. das Eichrecht und die Preisangabenverordnung).

Lücken in der Standardisierung

Auf Basis der CDR berechnet aber auch ein CSO – in einem B2B-Prozess – dem jeweiligen CSP die von dessen Kunden an den Ladestationen des CSO entnommenen Mengen. Und genau an dieser Stelle fehlt nach Einschätzung des Autors dieses Blog-Beitrags noch eine Standardisierung der Prozesse und Kommunikationsverfahren. Die nächste Grafik (ebenfalls adaptiert nach einer Vorlage der DIN IEC 63119-1) soll das verdeutlichen und Verfahren benennen, die in der Energiewirtschaft für genau diese Zwecke bereits erfolgreich eingesetzt werden: Übermittlung der Zählwerte, Rechnungen und Zahlungsavise erfolgen in den B2B-Prozessen der Energiewirtschaft seit Einführung der GPKE auf Basis weltweit standardisierter EDIFACT-Formate.

Nun soll damit kein Präjudiz für eine entsprechende Lösung geschaffen werden. Aber es erscheint sinnvoll – und speziell an dieser Stelle als Veröffentlichung des edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e.V., die Erfahrungen der Stromwirtschaft und die Bedürfnisse der Elektromobilität miteinander abzugleichen. In der Konsequenz wird sich nun eine neue edna-Projektgruppe „E-Mobility“ – in Abstimmung mit relevanten Marktteilnehmern – um eine Standardisierung dieser Prozesse bemühen.

Quellen + weiteres Lesen
Zum Begriff „Letztverbraucher“ im EnWG
U.a. zum Begriff „Letztverbraucher“ in der Elektromobilität
U.a. zu Normen und Standards