Eine Frau und sechs Männer vor dem virtuellen Kamin, insgesamt zweieinhalb Stunden lebhafte Diskussion: Das 5. edna-Kamingespräch am 14. November 2017 lässt sich im Rahmen dieses Blogs kaum umfassend darstellen. Dennoch gibt es einige Kernaussagen, die zeigen, das Strom-Communities mehr sind als bloße Zusammenschlüsse von Öko-Idealisten.

1.     Technologische Chance

„Technologisch haben wir in Deutschland mit den Strom-Communities endlich mal wieder die Nase vorn“, stellte Felix Dembski, Vice President Strategy der sonnen GmbH, fest. „Sie sind eines der ganz wichtigen Digitalisierungsthemen, bei denen die Deutschen dem Silicon Valley die Butter vom Brot nehmen können“, so eine seiner Kernaussagen. Und das auch direkt vor der amerikanischen Haustür. So sorgt sonnen in Puerto Rico gerade dafür, dass die Stromversorgung über Micro-Grids wieder ins Laufen kommt. In Deutschland ist die Umsetzung noch eher mühsam. Bei der Umsetzung des dezentralen Energiemanagements gehe es oft zwei Schritte vor und einen zurück, meinte Marco Demuth, Geschäftsführer der MVV-Tochter Beegy. „Trotzdem bleibt ein Nettoschritt nach vorne.”

2.     Blaupause für Entwicklungsländer

Nicht nur in Sachen Digitalisierung haben die Strom-Communities Modellcharakter. So sieht Ernst Ulrich von Weizsäcker, Co-Präsident des Club of Rome, die deutsche Energiewende als Vorbild für die Welt. Gerade Entwicklungsländer in Afrika nutzen Micro-Grids zunehmend als Möglichkeit, eine zuverlässige Stromversorgung in Gebieten aufzubauen, die mit der herkömmlichen zentralistischen und damit kostenintensiven Infrastruktur nicht zu erreichen waren. „Delegationen aus Afrika, die uns am EUREF-Campus, dem Berliner Startup-Zentrum besuchten, haben unser Konzept für die neue, dezentrale und digitalisierte Energiewelt sofort verstanden“, berichtete auch Christian Chudoba, Gründer und Geschäftsführer des Startups Lumenaza.

3.     Micro-Grids sind robust

Regionale Strom-Communities können sich selbst steuern. Das sei zwar auch nicht zu 100 Prozent sicher, aber kleinere Störungen lassen sich vor Ort regeln. Und ein Ausfall in einem kleinen Netz muss sich nicht auf andere auswirken. Das stellte Sandra Trittin, Mitglied der Geschäftsleitung bei Swisscom Energy Solutions, fest. „Selbst der 900 MW-Ausfall einer größeren Erzeugungsgruppe konnte in einem Fall über die Energiemanagement-Fähigkeiten der einzelnen Community-Mitglieder aufgefangen werden“, so ihre Aussage. Wichtig sei es, diese Strukturen weiter zu entwickeln, um im Hintergrund immer automatisch dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst zu großvolumigen Ausfällen kommt.

4.     Energie muss teuer sein

Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer, dass ein niedriger Energiepreis kaum zu einem effizienten Umgang mit Energie beiträgt. Dem Vorschlag, eine aktive staatlich geförderte Energieverteuerung umzusetzen, folgte Hans Josef Fell von den Grünen nicht. Er setzte sich lediglich für die Verteuerung „schmutziger“ Energie ein. Eher kostendämpfend könnten sich aber die Effizienzgewinne auswirken. So berichtete Fell von einer ganz neuen Studie der Lappeenranta University of Technology (LUT) und der von ihm gegründeten Energy Watch Group, nach der 100 Prozent erneuerbarer Strom weltweit machbar und wirtschaftlich sind. So könnten beispielsweise die Leitungsverluste durch dezentrale Energieerzeugung bei einem flächendeckenden Einsatz regenerativer Energien auf 20 Prozent gesenkt werden. Und über die intelligente Steuerung von privater Eigenerzeugung und Speichertechnologie ließe sich der „Autarkie-Anteil“ von 30 Prozent auf 70 Prozent heben.

5.     Emotion ist Treiber

Zumindest in Deutschland sind es weniger wirtschaftliche Überlegungen, die Strom-Communities boomen lassen. Es sind die emotionalen Faktoren, die das Thema vorantreiben. Ob beim „Fichtelgebirgsstrom“ oder bei „sonnen“: Das Gefühl, dabei zu sein und etwas für die Zukunft zu tun, oder gemeinsam mit anderen „autark“ zu sein, sind zentrale Motivationsfaktoren, berichteten Sandra Trittin, Felix Dembski und Christian Chudoba einhellig. Das müssten auch die Stadtwerke lernen, so Marco Demuth, der mit beegy für genau diese Zielgruppe White-Label-Dienstleistungen anbietet.

Und last but not least:

6.     Ohne den Verteilnetzbetreiber geht es nicht!

Die Idee, dem Nachbarn einfach ein Kabel über den Zaun zu werfen und ihn so mit dem Strom der eigenen PV-Anlage zu beliefern, sahen alle Podiumsteilnehmer als unrealistisch an. Auch ein Micro-Grid bleibt ein Netz, das jemand betreiben muss. Die Verteilnetzbetreiber seien deswegen gut beraten, sich offensiv mit dem Thema „Strom-Communities“ auseinanderzusetzen. Denn diese werden schon bald ganz andere Größenordnungen erreichen als heute, stellten die Teilnehmer des 5. edna-Kamingesprächs in der Zusammenfassung fest.

Teilnehmer von links nach rechts:

  • Marco Demuth, Beegy GmbH, Geschäftsführer
  • Dr. Christian Chudoba, Lumenaza, Geschäftsführer
  • Hans Josef Fell, langjähriger Abgeordneter und energiepolitischer Sprecher der Grünen – heute Präsident der Energy Watch group
  • Felix Dembski, sonnen GmbH, Vice President Strategy
  • Bernhard Mildebrath, Schleupen AG – Moderation
  • Sandra Trittin, Swisscom Energy Solutions AG, Mitglied der Geschäftsleitung
  • Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident des Club of Rome