Vor 15 Monaten hat die Bundesregierung beschlossen, eine Versorgungskrise und die wirtschaftlichen Folgen drastisch steigender Energiepreise für Wirtschaft und Verbraucher abzuwenden oder abzumildern. Zentrale und erfolgreiche Instrumente waren dabei die Energiepreisbremsen. Diese sollen nun bis April verlängert werden. Damit entstehen neue Risiken für Versorger und Kunden.

Dank schnell wieder sinkender Beschaffungspreise ist es einer ganzen Reihe von Unternehmen inzwischen gelungen, Energielieferungen für Bestands- und Neukunden unterhalb der Grenzpreise der Preisbremse vertraglich zu vereinbaren. Dies könnte sich Anfang 2024 wieder ändern. Denn die Kombination aus der vorzeitigen Rücknahme der Umsatzsteuerermäßigung für Gas und Wärme und der Verlängerung der Preisbremse führt beispielsweise dazu, dass ein mir bekanntes Unternehmen erstmals die Preisbremse mit allen operativen Risiken anwenden muss. Ein anderes ist gezwungen, für eine Vielzahl von in diesem Jahr neu gewonnenen Kunden ebenfalls erstmals die Energiepreisbremse zu gewähren. Und dies unter der Erschwernis der Anrechnung der vom Vorlieferanten bzw. vom Kunden bereitzustellenden Kontingente.

Neue Risiken für die Lieferanten und Verunsicherung der Kunden sind damit garantiert. 

Zumal viele Unternehmen immer noch mit der Umsetzung der diesjährigen Preisbremsen kämpfen – mit erheblichen Auswirkungen auf die Reputation und vor allem auf die Liquidität. 

Zum konkreten Verordnungsentwurf:

Die Gesetzgebung zur Energiepreisbremse zielt auf Kontingente für ein Kalenderjahr ab und ermittelt diese auf Basis der Verbrauchswerte der Vorjahre. Wie dies für die vier Monate in 2024 aussehen soll, sollte in der Verordnung geregelt werden und nicht der Auslegung/Kommentierung der FAQs des BMWK überlassen werden. Eine praktikable Regelung kann aus unserer Sicht nur die lineare Fortschreibung der bisher ermittelten Kontingente auch für die viermonatige Verlängerung sein. Unklar bleibt, wie mit dem Übertrag nicht ausgeschöpfter Kontingente aus 2023 umgegangen werden soll.

Darüber hinaus ist die Zeitachse der eigentliche Knackpunkt.

Die Rücknahme der Umsatzsteuerermäßigung soll im Rahmen des Wachstumschancengesetzes am 15. Dezember 2023 im Bundesrat/Bundestag endgültig beschlossen werden. Die Verordnung zur Verlängerung der Energiepreisbremse ist am gleichen Tag im Bundesrat, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Zustimmung aus Brüssel. Wann diese erfolgt, ist derzeit nicht absehbar. 

Warum die Fehler des Vorjahres wiederholt werden, erschließt sich weder mir noch den betroffenen Kundinnen und Kunden. Denn die Kunden über beide Änderungen, ggf. unabhängig voneinander, informieren zu müssen, wird die ohnehin überlasteten Kundenservicecenter völlig überfordern. Jede Vereinfachungsregelung, die die Kommunikationspflichten der EVU im Zusammenhang mit der Energiepreisbremse betrifft, ist daher zu begrüßen, wie z.B. eine Veröffentlichungspflicht auf der Homepage statt schriftlicher Information über Kundenbriefe. 

Inzwischen habe ich mich an die unrealistischen Angaben zum „Umsetzungsaufwand der Wirtschaft“ schon gewöhnt, aber hier sticht dieser schon sehr ins Auge.

Autor: Wolfgang Tiling, Bereichsleiter Vertrieb / Beratung, Prokurist FACTUR Billing Solutions GmbH